Ein (un)moralisches Angebot

Love me tender, love me true – Liebe mich zärtlich und liebe mich ehrlich.

Die Sehnsucht nach Liebe, nach Zweisamkeit ist da, wächst. Ist das auch Ihre Beobachtung?

Die Menge der Massagetermine nimmt zu, weil Menschen im Alltag weniger körperliche Berührungen erfahren – Sie wollen aber sanfte oder auch kraftvolle Berührungen auf ihrer Haut spüren, seien sie auch nur medizinischer Art.

Es gibt Internetportale, die neue Liebe und Beziehungen verheißen. Zielgruppengerecht: Partnerinnen und Partner auch für elitäre, spezielle Wünsche; Seniorenportale etwa sollen sogenannte Best-Agers erreichen.

Wer sich nicht in solche Portale traut, begibt sich lieber in Chatforen, um über den thematischen Austausch zumindest eine, meistens mehrere Beziehungen aufzubauen. Dating-Apps und Anzeigen bei Facebook, bieten Menschen ganz in der Nähe an. Ein Klick und schon hat man/frau einen Termin, aus dem sich mehr entwickeln kann.

Andere, wiederum Suchende, gehen den Weg über die Nase. Sie nutzen Pheromonpartys. „Ich kann dich gut riechen“, heißt hier die Devise. Die Besucher schnuppern an getragenen T-Shirts und suchen sich so einen potentiellen Partner/Partnerin aus. Der Veranstalter verspricht eine Trefferquote für spätere Beziehungen von 80%.

Ich habe das alles noch nicht ausprobiert; es hat noch immer anders geklappt. Von face to face habe im Alltag Menschen kennen gelernt, mich verliebt, entliebt, neu verliebt… Es gibt dennoch keine Gründe, mich über die Erfahrungen derer, die es anders machen oder getan haben, lustig zu machen. Und: Anzeigen, Er sucht Sie, oder Sie sucht Sie, gab es schon immer.

Ich halte ich es ebenso wenig für amoralisch, solche Wege zu gehen? Allein diejenigen, die das ausnutzen, halte ich für unmoralisch. Weil sich mit diesen Sehnsüchten viel Geld verdienen lässt. Liebe und Geld gehören möglicherweise irgendwie zusammen, aber können einander weh tun. Sehr weh. Zu weh.

Das Spiel mit der Liebe hat viele zu Verlierern gemacht. Davon kann auch ich ein Lied singen. Ich werde es hier nicht tun, aber ich weiß, wie zerstörerisch es sein kann. Mit Auswirkungen auf den Einzelnen, die Familien, Freundschaften, Kinder, Beruf, das ganze Leben steht plötzlich zur Debatte. Und am Ende bin ich doch allein.

Unter dem Titel Single Bells veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in ihrem Magazin ein eher negatives Resümee der vielfältigen neuen Möglichkeiten.

Wie groß die Sehnsucht ist und welche Verführbarkeit von Menschen damit verbunden ist, ist zunehmend Thema. Die Sehnsucht, einen liebevollen Menschen zu treffen, ist immens. Single Bells zeigt: besonders an Weihnachten.

Warum eigentlich jetzt?

Naja: Das große Fest der Liebe und ich stehe nur dabei und bin verwundert. Das geht nicht, denken viele. Dabei ist es doch zunächst nur ein abgeleitetes Fest. Die Theorie dahinter: Gott kommt zu den Menschen. Weil er scheinbar so weit weg ist, kommt er als Mensch zu ihnen. Es kleines, noch unschuldiges Kind und in armen Verhältnissen. Das davon ausgehende Signal: Ich bin wie ihr. Schutzbedürftig und auf andere angewiesen. Aber mit schlagendem Herzen und mit wachen Sinnen, ein Wesen, das alles in sich birgt, was das Menschsein ausmacht: Emotion, Kraft, Ideen, Verstand und die Gabe, zu lieben und Liebe zu empfangen. Das zeichnet alle Menschen aus. Sowohl die großen Politikerinnen wie den kleinen Arbeiter und Achtung: wohl auch den IS-Krieger und auch die Nonne im Kloster. Den Menschen, der unter den entsprechenden Bedingungen im Reagenzglas gezeugt wurde als auch das Kind einer Leihmutter. In dieser Spannbreite bewegen wir uns. Ich möchte fast sagen: leider, denn damit ist alles ganz kompliziert, stimmt´s?

Fest der Liebe, das ist die schier unermessliche Sehnsucht nach gelingendem Lieben. Jetzt. Weil ich schon so lange darauf gewartet habe. Vertröstet wurde. Enttäuscht bin. Jetzt also. Heute hier. Da wird die Theorie ganz schnell zur eingeforderten Realität.

Alle Träume wahr werden lassen, das gelingt aber selbst beim Fest der Liebe nicht. Zur Erinnerung: Es gab sogar mal Zeiten, da schwiegen in dieser Nacht weltweit die Waffen. Aber nur, um an den darauf folgenden Tagen alles nachzuholen, was versäumt wurde. Worum geht es also? Sowohl in der Theorie als auch der Praxis?

Um nicht weniger als die Liebe und die Überzeugung, dass sie behutsam gehegt und gepflegt werden muss. Ja muss, denn sie lässt sich nicht kaufen und sie kann sich nicht in den Multioptionen erschöpfen. Es geht um die zu tiefst menschlichen Dinge, mit denen wir sorgsam umgehen müssen. Ja, müssen, weil sie so entscheidend sind für unser Leben.

Es geht darum, sich nicht zu verkaufen, weil es womöglich attraktiver ist, mehr zu scheinen als man tatsächlich ist. Das aber nur für eine Weile. Es geht um die Wirklichkeit und nicht um die Fiktion. Es geht um die Wahrheit und Offenheit und das Bekenntnis dazu. Und es geht um dich und mich. Besser: um vielen Andere und mich. Und das „und“ ist ebenso wichtig wie das „Ich“.

Ein moralisches Angebot? Ja. Keines, das wir gemeinsam heute in Stein meißeln könnten, aber ein Aufruf zum bedenken. Nachdenken, wie es uns gelingt, Liebe miteinander zu schützen, in diesen Zeiten, häufiger Enttäuschungen und sehr hoher Erwartungen. Liebe nicht bedingungslos aufzugeben. Gott kommt uns in dieser Nacht ganz nah mit seiner Liebe, Jetzt, hier. Und es geht um das „Jetzt“, weil meine Zeit endlich ist, und der Himmel warten kann. So meint es Gott. Und deshalb und nur deshalb nehmen wir heute Abend sein Zeichen an. Auf dass nicht nur Maria all diese Worte in ihrem Herzen behielt, sondern auch wir diese Worte als Ansporn für die Suche nach Liebe behalten.